Wert des Lebens I.

Den Selbstmord halte ich für ein meiner möglichen und hochwahrscheinlichen Enden. Warum sollte ich dies nicht erwähnen? Nur weil die Mehrheit der Menschen um mich herum denkt, dass der Selbstmord die Respektlosigkeit gegenüber dem Leben, Versagen, Schwäche, Vernunft- oder Gefühlkurzschlusshandlung darstellt? Damit bin ich nicht einverstanden. Zur gleichen Tat können unterschiedliche Motive führen. Sowie auch zum Selbstmord. Zum Beispiel, ich fühle mich nicht schwach, in keinem Versagen, in keiner Kurzschlusshandlung, und ich respektiere das Leben. Und gerade Respekt gegenüber dem Leben verursacht bei mir die Betrachtungen über sein Ende. Warum das leben, was fürs Leben nicht bestimmt ist?

Ich bin mir bewusst, dass das wertvollste, was ich besitze, das Leben ist, aber ich bin mir auch bewusst, dass sein Wert dadurch bestimmt ist, was für ein Leben ich führe. Und was für einen Wert hat euer Leben? Und das Leben euer Mutter, eures Sohnes oder Mannes? Das Leben von jemandem, den ihr liebt? Lebt ihr eure Leben wie in einem Arbeitslager oder seid ihr wie auf einem Markt? Geht ihr manchmal wenigstens auf Karussells? Und reicht es? Manchmal auf Karussells zu gehen?

Was lernt man in den Schulen, Kirchen oder anderen Zirkussen? Mit geschundenem Rücken, müde gewordenem Herz, apathischen Sinnen, aber lebe doch. Die Telenovelle wird geschaut. Arbeite und sei gehorsam. Und nach der Arbeit kannst du zornig und zufrieden auf einem zornigen und zufriedenen Hardcore-Konzert schreien, um dich abzureagieren und wie eine gute Maschine am nächsten Tag zu arbeiten. Das Leben fließt für dich ab, wie ein Wasser voll Mist in einen Kanal, aber du musst dankbar sein, dass du lebst. Und wenn es abfließt, dann stirbst du. Aber noch vorher sollst du die Welt von jemand anderem beschmutzen. Vielleicht wird er Glück haben. Und gewinnt im Lottospiel.

Und wie würde die Welt aussehen, und wir, wenn wir uns nicht mit Überleben erpressen ließen, als ob das Überleben ein grundlegender Sinn des Lebens wäre? Würden wir uns näher, tiefer und liebevoller behandeln, wenn eine Möglichkeit und Fähigkeit in uns wäre, näher und tiefer diese Welt zu verlassen? Wisst ihr, ich denke, wenn ihr in der Hand etwas Zärtliches hält, drückt ihr vorsichtig und seid aufmerksamer zu einem Fall. Vielleicht sollten wir schlechtes Leben mehr als Tod fürchten.

Wenn euer bloßes Glück euch zum Leben genügt, dann habt ihr eine Chance, dass das Leben euch gefallen wird. Vielleicht verliebt ihr euch, und es wird sehr stark sein und die Welt wird für euch schön, ohne Rücksicht auf Narben und Blasen, aussehen, weil die Liebe solche Sachen kann. Oder ihr findet ein befriedigendes Lebensprogramm zwecks guten bis tollen Gefühls, wenn keine Ergebnisse für euch wesentlich werden, sondern das, dass ihr etwas macht. Vielleicht Tierschutz. Oder ihr kommt in einer guten Familie zur Welt. Liebevolle Eltern, schöne Kindheit, Erwachsensein und Lebensabend. Keine Schlägereien, Hungern, schwere Krankheiten und ihr sterbt im Schlaf, ohne Schmerzen. Einfach nur so macht ihr die Augen zu. Und ihr werdet die Menschen dabei haben, die euer Tod zum Heulen bringt, weil sie mehr als Erbschaft euch möchten.

Und wenn nur euer Glück euch zum Glück nicht genügen wird, dann wird das Leben euch nicht gefallen. (Wenn ihr halt nicht von einer Gottesinspiration, von der eure reale Welt verdreht wurde, verblödet sind.) Schaut um. So viele zerstörte Leben. So viele Menschen und andere Tiere, die in Elend und Qual und ohne Änderungsmöglichkeit geboren werden. So viele Kriege und Hungern. So viele vergewaltigte, ermordete, gefolterte und verlorene. So viel Schreien, das von denjenigen, den es besser geht, nur wenig gehört wird. So viele Lügen und Betrügereien in den Beziehungen und Nicht-Beziehungen. So viele Spiele auf Gutes und Mitleid, die nur bis in die Zeit gespielt werden, bis sie schmerzhaft und unangenehm werden.

In einer Schule, in der ich einen Vortrag hielt, wurde ich von einem Pädagogen und gleichzeitig Yogalehrer aufgeführt, der sagte: “Herr Kolesár wird zwar über die schlimmen und hässlichen Sachen reden, aber ihr, liebe Schüler, müsst euch immer erinnern, dass die Sonne scheint.” Als er seine Rede beendete, begrüßte ich die Schüler und sagte, dass es die Stellen gibt, wo keine Sonne scheint. Das ist kein Pessimismus, aber Realismus. Jeden Tag bemühe ich mich, irgendwelchen Schmerz zu “bewältigen”, den ich nicht in Fluss bringen kann. Ich bin nicht deprimiert. Und ich habe auch genügend Kräfte und Mut. Nur, wenn ich sehe, was ich sehe, dann verliere ich die Lust zum Atmen.

Ich bin mir bewusst, dass es in der Welt auch die schönen Sachen gibt, aber als ein Ganzes ist es gerade nicht viel wert. Ich weiß, dass ich es vielleicht sehr intensiv empfinde, aber vielleicht soll man gerade so leben. Ich weiß nicht.

(Fortsetzung nach meiner Lust)

Übersetzung: Lívia O.

This entry was posted on Úterý, Září 8th, 2009 at 23.26 and is filed under texte. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Responses are currently closed, but you can trackback from your own site.

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