Vortrag auf dem Tierrechtskongress Wien 2008
Ich bin durch viele Pelzfarmen, Zuchtställe von Rindern und Schweinen und durch Geflügelwerke gekrochen, und ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, dass das Realität ist.
Ich sah getötete Nerze, Frettchen und Blaufüchse, damit sich eine Hure luxuriös und sexy vorkommen kann. Kälber, vereinsamt in der Box, weggerissen von der Mutter und ihrer Milch, weil die Milch ins Geschäft und die Kälber in die Schlachtreife gehören. Schweine, sitzend und hustend im eigenen und fremden Scheißen. Absichtlich deformiertes Federvieh, zu dem man Broilerhühner sagt, und das als geschmackvolles und gesundes Fleisch angepriesen wird. Und ich sah Hühner – gackernde und halbverrückte Eiermaschinen, mit abgewetzten Federn, und ich verstand, dass alle Eier „hartgekocht“ sind. Ich sah sehr viele schlimme Sachen, die das Gesetz und das Gewissen der Mehrheit genehmigen oder zu denen diese schweigen.
Ich kann hoffen, dass es einmal besser sein wird und an der Zukunft arbeiten. Nur – was ist mit den Tieren, die jetzt, in diesem Moment ein verkrüppeltes Leben haben?
Ich kann sie bedauern, wenn ein Fremder sie so in Besitz nahm, als hätten sie keine eigenen Interessen, die das ausschließen, aber ich muss sie in diesem Besitz lassen. So sagt es das Gesetz.
Die Frage ist einfach und die Antwort auch. Wenn das Gesetz gegen das Leben geht, was ist wichtiger, das Leben oder das Gesetz? Das Leben.
Erstes Kapitel: Man nennt mich Terrorist
Es ist bequem, aber auch gefährlich und für eine Gesellschaft aus Lügen, Halbwahrheiten und Domestikation charakteristisch, jede unbequeme Unbeugsamkeit zu kriminalisieren und zu dämonisieren und sie dadurch zu disqualifizieren und in extremistische oder terroristische Attribute zu treiben. Ein solcher Umgang mit Wörtern führt zum Verwässern und manchmal auch zum Verlust ihrer Bedeutung. Gibt es wirklich keinen Unterschied, oder ist er nicht erkennbar, zwischen mich, der beim Erreichen seiner Ziele weder getötet noch geschlagen hat, und zwischen denen, die Menschen durch Bombenangriffe zerreißen? Wörter sind sehr flexibel und einfach zu missbrauchen, und die Propaganda liebt (genau wie dumme Menschen) das Stigma, weil es die Unterscheidung gemäß dem vorgegeben Stigma statt nach den Taten ermöglicht.
Wenn man mich als Terroristen bezeichnet, weil ich ein paar Zäune durchgeschnitten, manchmal eine Türe oder ein Fenster aufgebrochen habe, um an die Orte zu kommen, an denen die Sonne nicht scheint und die in der Werbung nicht vorkommen, und hier dieses riesige und überflüssige Elend und die Quälerei gefilmt und fotografiert habe, und wenn man mich als Terroristen bezeichnet, weil ich Tiere von diesen Orten weg zu anderen Plätzen bringe, an denen es ihnen besser geht und sie in Sicherheit sind, wie soll man dann von denen sprechen, die diese Tiere dort einsperren, ihr Leben verkrüppeln, mit ihrem verkrüppelten Leben Handel treiben, sie töten oder sie essen oder das verteidigen?
Ich sehe keine Tugend darin, das Gesetz zu überschreiten, wenn seine Überschreitung bedeutet, dass ich jemandem in Not, Pein, Lebensgefahr helfe.
Die Menschen haben den sog. Wirtschaftstieren die persönliche und auch die evolutionäre Freiheit genommen, sie reduzierten sie auf Produktionseinheiten, sie sperrten sie in Dunkelheit und in Beton von Großzüchtereien ein, und nach einem kurzen Leben, in dem die alltägliche Realität Angst, Langeweile und Vereinsamung ist, schicken sie diese auf die Hinrichtungsstraße in den Schlachtbetrieben. Das ist Terror. Realer und geschützter. In Kultur, Wirtschaft und Politik. Terror, der durch die Überordnung des Menschen über alle anderen Lebewesen heilig gesprochen und wegen dieser Überordnung auch straffrei ist.
Ich scheiße auf diesen Schutz und diese Heiligsprechung.
Zweites Kapitel: Wozu sind Gesetze dort gut, wo Geld herrscht? (Gaius Titus Petronius)
Es gibt vieles, was wir zum Wohl der Tiere tun können, ohne die geltenden Gesetze zu verletzen, aber ich bin davon überzeugt, dass das nicht genügt. Und ich bin auch davon überzeugt, dass das Vertrauen auf eine Änderung des Zustands durch das Gesetz, wenn das Gesetz als grundlegendes Mittel und Ziel verstanden wird, kontraproduktiv ist. Vielleicht ist es sogar immer kontraproduktiv. Denn wer hat das Gesetz in seiner Gewalt? Und wie weit lässt es uns?
Ich kann nicht hinter sieben Berge, Flüsse und Wälder sehen. Allein auf der Grundlage dessen, was ich sehe, worüber und wie ich nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass eine Welt, die in einem solchen Maß die Mentalität eines Arbeitslagers, einer Markthalle und von Schlachthäusern aufbaut und aufrecht erhält, nicht von Zustimmung und Zusammenarbeit gestört werden kann. Wir müssen gegen und außerhalb einer solchen Mentalität leben. In Worten und Taten die Kultur, die Wirtschaft und die Politik des Missbrauchs von Tieren sabotieren und boykottieren, einschließlich derjenigen, die sich als ihr Schutz ausgibt. Sich bewusst machen, dass das Leben von Tieren weder Ware, Warengruppe noch Rechnungsposten ist, und dass das Leben der- oder demjenigen gehört, der es lebt, und zwar ohne Rücksicht darauf, wer damit manipuliert oder Eigentumsansprüche darauf erhebt.
Ich glaube nicht, dass das Gesetz und sein repressiver Tierschutz zum Besseren führen können. Denn das ist eine Lösung durch Macht und Angst, die nicht auf etwas ohne Macht und Angst ausgerichtet ist. (Das Gesetz steht und fällt mit Macht und Angst. Ohne diese ist es nichts). Ich glaube ohnehin nicht an die Suggestion der Mächtigen (ich nenne das ass licking), weil das zur Selektion von (emotionalen wie auch rationalen) Argumenten je nach Belieben der Mächtigen führt, ohne Rücksicht oder mit geringer Berücksichtigung des Maßes ihrer Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Und das bearbeitet, korrumpiert und ändert früher oder später jeden Gedanken und jeden Menschen, wenn man in der Suggestion der Mächtigen nicht besteht.
Ich bin überzeugt, dass man die Befreiung der Tiere (insofern das möglich ist) als wirkliche und dauerhafte Änderung nicht durch bloßen Kampf für die Befreiung der Tiere erreichen kann, weil das, was mit den Tieren geschieht, nicht vom Rest der Welt, ihren Problemen und Lösungen getrennt oder davon unabhängig ist.
Aus zeitlichen Gründen führe ich nur ein einziges Beispiel auf. Was erwarten Sie von einer Frau, die morgens aufsteht, den Kindern das Frühstück vorbereitet, acht oder zehn Stunden zur Arbeit geht, die ihr nicht gefällt, die sie erschlägt und abstumpft und um die sie noch Angst haben muss, dann geht sie nach Hause und zählt das Geld für Essen und für die Schulsachen der Kinder, sie kocht, wäscht, bei der Telenovelle schaltet sie ab, und danach sieht sie sich noch die Nachrichten an und darin Aufnahmen von Schlachthöfen, wo Tiere geschlagen oder noch lebend zerschnitten werden, und in der nächsten Nachricht erfährt sie, dass die Preise für Energie und damit auch für alles Übrige wieder nach oben gehen. Essen, Miete, Verkehr… Welche Nachricht wird für sie schlimmer sein? Wie viel Raum und Kraft bleiben ihr für Mitgefühl? Wie viel Raum und Kraft bleiben ihr, um sich die Zusammenhänge bewusst zu machen?
Drittes Kapitel: Nimm das Huhn und lauf!
Die Befreiung der Tiere ist keine Sache der Ansicht. Es ist ein Kampf ums Überleben. Wenn wir dieses Bewusstsein verlieren, wird das nur eine Diskussion um verpfuschtes Leben und tote Körper sein. Und manchmal eine Petition.
Es ist wichtig, direkte Aktionen zu machen, aber ebenso wichtig ist es, darüber zu sprechen, warum wir sie machen. Darüber sprechen, dass es nicht normal ist, dass an solchen und ähnlichen Orten unter solchen Bedingungen und zu einem solchen Zweck Tiere gehalten werden, sondern dass es normal ist, dass wir sie von diesen Orten fortgebracht haben.
Denjenigen, die einwenden, dass die Rettung von 11 oder von 300 oder von nur einem einzigen Huhn lediglich symbolisch ist, antworte ich mit der Frage: Wenn 300 Menschen im Wasser ertrinken, und sie ziehen nur einen Einzigen oder Einzige heraus, wird das nur symbolisch sein?
Die direkte Rettung von Tieren verändert die Gegenwart, anstatt nur von einer möglichen besseren Zukunft zu träumen. Es handelt sich nicht um abstrakte, sondern um konkrete Leben. Sich an tatsächliche Prioritäten halten und die falschen zerschlagen. Die Rettung von Leben ist wichtiger als Besitz, als das Gesetz, als der mehrheitliche Wille oder die demokratische Wahl.
Sie können versteckt hinter einer Maske zur direkten Aktion übergehen. Ich habe sie getragen und trage sie manchmal noch. Dank der versteckten Identität können Sie länger arbeiten und mehr machen, da niemand Sie beobachtet, überwacht, mit Strafe belegt, schikaniert oder einsperrt. Warum also offene Befreiungen?
Da es stärker ist, sich aufzulehnen. Mehr Konfrontation mit der Gesellschaft, ihren Werten und Rollen, die diese Werte bestimmen. Ich bin (laut dem Gesetz) auf einem fremden Grundstück, ich nehme fremden Besitz, ich bin also ein Dieb, aber ich sage, dass ich kein Dieb bin, da die Tiere, die ich wegtrage, kein Eigentum sind und man sie nicht als Eigentum beanspruchen kann. Ich respektiere den Status quo nicht, der den Missbrauch von Tieren schützt, unterstützt und legitimiert. Ich fliehe nicht, ich verberge meine Identität, nicht, vor der Kamera sage ich meinen Namen und meine Personenkennzahl, die Aufzeichnung der Aktion veröffentliche ich.
Es ist weitaus einfacher, sich mit diesem Schrecken (der mir die Fäuste ballt, dass mir die Luft wegbleibt) zu identifizieren, wenn man in diesem Schrecken um die Tiere ein menschliches Gesicht sieht. Und es ist weitaus schwerer, dieses Gesicht dann zu dämonisieren oder umgekehrt zu idealisieren.
Die offenen Befreiungen (wie ich sie verstehe und mache) sind nicht in Widerspruch und stehen den anonymen Befreiungen nicht entgegen. Sie ergänzen sich gegenseitig. Weil es den Tieren egal ist, ob Du sie in einer Maske oder ohne Maske rettest.
Support Animal Liberation Front.
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